Wie der schwedische Möbeldesigner Jan Ryde gesunde Luxus-Betten baut
„Versuchen Sie einmal in diesem Prunkstück von Bett wach zu bleiben“, sagt Jan Ryde und zeigt dabei mit beiden Händen auf eine Schlafstatt aus zwei übereinander liegenden Federkern-Matratzen. Dabei lächelt er wie ein Lausbub und seine Bettenbauer nehmen es als besonderes Lob.
Durch die großen Panoramafenster des Fabrikgebäudes im schwedischen Köping beleuchten die Sonnenstrahlen das neue Meisterwerk aus Kiefernholz, handverlesenem Rosshaar, Baumwolle, Leinen, reiner Wolle sowie Matratzenfedern aus wärmebehandeltem Stahl mit der Qualität von Pianodraht. Das 71 Zentimeter hohe Bett ruht auf geöltem Eichenfüßen mit Messingsohlen.
In Dubai wartet bereits ein Scheich auf das edle Möbel, die Sheraton-Hotelgruppe hat eine ganze Reihe für ihre Hochzeitssuiten geordert und bei den Filmfestspielen in Cannes liegen Prominente aller Coleur in aller Öffentlichkeit auf dem blau-weiß karierten „Bentley der Betten“ zur Probe.
Mehr als 207 Kilogramm unbehandelte Naturmaterialien sind im exklusiven Bett verarbeitet – bis in jede Einzelheit handwerklich in 160 Stunden gefertigt. „Eine Menge Zeit, aber diese Zeit muss sein“, sagt Jan Ryde. Der Blondschopf gilt inzwischen als der ungekrönte Matratzenkönig der Welt.
Bereits als kleiner Junge träumte er davon „völlig naturbelassene Betten zu produzieren von denen die Welt träumt“. Heute leitet der studierte Ökonom in fünfter Generation den schwedischen Manufakturbetrieb Hästens, der für sich in Anspruch nehmen kann, einen weltweiten Trend zum gesunden Luxus-Bett mit ausgelöst zu haben.
„Immerhin verbringen wir rund ein Drittel unseres Lebens, also 9.000 Nächte, im Bett. Wir tanken dabei Kraft für einen immer stressiger werdenden Alltag. Je ruhiger und angenehmer der Schlaf, desto besseres Immunsystem, Gedächtnis, Lernvermögen und Herz und desto größere Ausdauer und bessere Laune“, sagt der Möbeldesigner.
Auch Forscher sehen inzwischen eine geänderte Einstellung zum Schlaf. „Es setzt sich mehr und mehr die Einsicht durch“, meint Dr. Jürgen Zulley vom Schlafmedizinischen Zentrum der Universität Regensburg, „dass eine erholsame Nachtruhe neben der richtigen Ernährung und Bewegung entscheidend für eine gute Lebensqualität und Leistungsfähigkeit ist.“
Bislang gelten die Deutschen freilich im europäischen Vergleich als Schlafmuffel. Jeder dritte Bundesbürger fühlt sich zerschlagen wenn er morgens aufwacht. Studien zeigen, dass Schlafstörungen zu den häufigsten Gesundheitsproblemen gehören – fast drei Millionen Menschen nehmen Schlafmittel. Die Ursache ist neben seelischem Stress, Lärm und Erkrankungen meist eine falsche Schlafstatt.
Dabei scheint die Wahl des richtigen Bettes zumindest auf den ersten Blick einfach. „Ein gutes Bett ist eines, das man nicht merkt, wenn man darin liegt und es muss so gut wie ewig haltbar sein“, sagt Jan Ryde trocken. Kompromisse scheint er bei seinen Ansprüchen nicht zu kennen: So testet er die Widerstandskraft eines Bettrahmens, indem er draußen auf dem Werksgelände Autos darüber fahren läßt. Und um die Haltbarkeit des Stoffes zu prüfen, müssen Mitarbeiter anschließend das Bett an einen Lastwagen hängen. Nach einem Kilometer Fahrt auf einem Schotterweg hält der Stoff immer noch.
Die Essenz aus dem die angenehmen Träume sind liefert die Natur. So wird ausschließlich Rosshaar als Polstermaterial genutzt. Jedes einzelne Haar ist ein winziges Röhrchen, das ausgeschwitzte Feuchtigkeit ableitet und frische Luft zuführt. Diese natürliche Klimaanlage in einem Luxus-Bett unverzichtbar: Immerhin schwitzt der Mensch in zehn Jahren rund sieben Badewannen voll Flüssigkeit in seine Matratze – eine gute Heimstatt für Schimmel und Milben.
Das Rosshaar kommt aus Südamerika, wird in der Schweiz gewaschen und bei 99 Grad gebrannt, um Allergien vorzubeugen. Dann erst wird das Pferdehaar – in Zöpfen geflochten – nach Schweden gebracht. Nach dem Auflösen der langen, gezwirnten Stränge ist das Rosshaar dicht gekräuselt und hat sein Volumen um ein Vielfaches vergrößert. Mit Argusaugen verfolgt Jan Ryde wie je acht Arbeiter schließlich Bett um Bett von Hand mit dem Haar auspolstern.
Der Fertigungsprozess ist im Prinzip noch der gleiche wie 1852 als Rydes Ururgroßvater Per Adolph Janson die erste Hästens-Matratze herstellte und Schichten aus Rosshaar, Baumwolle und reiner Wolle auf die verschiedenen Federsysteme platzierte. Die Stahlfedern ruhen heute wie damals zwischen Leinenmatten, die die statische Elektrizität ableiten und den Körper mit Lebensenergie aufladen.
Das Ziel ist eine Matratze, die das Gefühl der Schwerelosigkeit herbeizaubert. Sie soll sich anschmiegen und zugleich abstützen, den Schlafenden schweben lassen. In der Rückenlage dürfen Schultern und Becken dabei nur wenig einsinken. Dagegen müssen in der Seitenlage Hüfte und Schulter so tief eindrücken, dass die Wirbelsäule eine Gerade bildet.
Die Entlastung der Wirbelsäule ist vor allem für die Regeneration der Bandscheiben enorm wichtig: Diese werden tagsüber fast 20 Prozent in ihrer Höhe gestaucht. Im entspannten Schlaf entzerren sie sich und füllen sich wieder mit Nährflüssigkeit auf.
Um diese Erholung zu ermöglichen, darf die Matratze nicht zur Muldenbildung neigen – eine „Hängematte“ würde die unbedingt notwendige nächtliche Bewegung behindern. „Muskeln, Knochen und Sehnen brauchen wechselnde Belastungen und Beanspruchungen , damit sie gestärkt und geschont werden“, erklärt Professor Hans-Joachim Wilke vom Institut für Biomechanik der Universität Ulm. Die Unterlage beim Liegen dürfe also nicht zu weich sein, damit sich der Körper möglichst ungehindert entsprechend der natürlichen Schlafmotorik bewegen könne.